Blockchain im Tourismus

Veröffentlicht 25. Mai 2023

von Alexander Konrad

Werden Blockchain und ChatGPT die Tourismus-Industrie nachhaltig verändern? – Teil 1

Die Blockchain-Technologie hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen und wird zunehmend von Unternehmen verschiedener Branchen genutzt, um ihre Prozesse effizienter und sicherer zu gestalten. Im Bereich der Touristik und des Transportwesens gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wie die Blockchain eingesetzt werden kann, um die Zusammenarbeit zwischen Reiseveranstaltern, Fluggesellschaften, Transportunternehmen, Reedereien, Hotels und dem Reisevertrieb zu verbessern.

Welche Einsatzmöglichkeiten es von Blockchain im Tourismus gibt und was ein Wegelagerer aus dem 15. Jahrhundert damit zu tun hat, erfährst du im ersten Teil dieses Artikels.

Was ist denn nun die berühmte Blockchain-Technologie oder Distributed Ledger Technologie (DLT)?

Ich spare mir in diesem Beitrag eine detaillierte Erklärung, wie eine Blockchain funktioniert. Hierzu hat die Hochschule Luzern einen interessanten Videobeitrag erstellt, der das Thema verständlich rüberbringt. Hier geht´s zum Video: Blockchain einfach erklärt – YouTube

Ich möchte hingegen direkt in die Praxis einsteigen und auf die Blockchain rund um Mobilität und Reisen eingehen.

Die Veranstalter-Reise

Heute nutzen die Produzenten (Airline, Bahn, Bus, Hotel/Unterkunft, Reiseveranstalter, Reederei) eigene oder teils einheitliche Produktionssysteme/ERP-Systeme. Diese stellen über diverse wichtige Distributionssysteme – zum Beispiel Booking Engines, Preisvergleichs-Datenbanken, Reisebürosysteme, Flug-GDS-Systeme, Hotel-Channelmanager und mehr – die Produkte und Dienstleistungen an verschiedene Vertriebsorganisationen bereit. Hierzu zählen unter anderem Reisebüros, Onlineportale, Metasearcher und Handelsunternehmen. Diese bieten wiederum dem:der Endkund:in die Produkte einzeln, als Pakete oder dynamische Pakete mehrheitlich aus vorberechneten Datenbanken (Caches) oder in Echtzeit zur Suche und Buchung an. Damit es hübsch wird, gibt es daneben PIM-Systeme (Produkt-Informations-Systeme), die uns Beschreibungen, Bilder oder Videos von unserem Traumhotel anbieten. Der Kauf und die Bezahlung gehen meist rückwärts über weitere Zahlungssysteme und Backoffice-Systeme.
Platz-genaue, zimmer-genaue Buchungen sind oft nicht realisierbar, man kauft „1 Zimmer“ oder „1 Flugsitz in der Economy Class“. Der Anspruch an alle Beteiligten dieser komplexen Prozesskette ist ein ausfallfreier Betrieb, schnelle Antwortzeiten und sichere Transaktionen.

Hier wird bereits deutlich: Eine Prozesskette ist komplex, teuer, unflexibel und teils unkomfortabel. Und genau hier setzt die Blockchain an. Hier ein paar konkrete Beispiele: Jeder einzelne Flugzeugsitz, zum Beispiel „35F“, jedes Hotelzimmer wie Nr. „2143“ und jeder Ausflug im Urlaub hat eine eigene, individuelle Identität. Zudem hat alles einen steuerbaren Preis und natürlich Regeln in einem Smart Contract für das Blockchain-Netzwerk. Dieser einzigartige Produktbaustein wird von dem:der Produzent:in in seinem:ihrem System erstellt. Einmal in die Blockchain eingestellt, sorgen ausgewählte Unternehmen innerhalb des Blockchain-Netzwerks (z.B. DLT-Betreiber Camino in der Touristik) weltweit für Sicherheit. Sie sind sogenannte Validatoren. Bei jeder Transaktion (Weitergabe, Kauf) wird diesem einzigartigen Produktbaustein eine Art Prüfsiegel bzw. Prüfzahl und ein Besitznachweis zugefügt. Eine solche Transaktion wird von allen Validatoren bis zum ersten Netzwerkknoten zurückgerechnet und nur dann autorisiert, wenn die Validatoren die Transaktion als richtig erkennen. Also eine Art verteiltes Kassenbuch (=distributed ledger technology), digital im neuen Jahrhundert realisiert. Diebstahl ist ausgeschlossen.

Unser beispielhaftes Zimmer 2134 im Hotel Saint Germain in Paris an einem bestimmten Reisetermin hat Reiseveranstalter A nun bereitgestellt. Die Airline B hat dieses Zimmer im Netzwerk gefunden und mit ihrem eigenen Flugbaustein Sitz 35F auf der Strecke Frankfurt-Paris verbunden. Nun verkauft die Airline es unter ihrer Airline-Urlaubsmarke als Paket. Der:die Kunde:in findet das neue Produkt und kauft dieses. Zug um Zug mit einer blitzschnell erfolgten Bezahlung über das Blockchain-Netzwerk. Im Blockchain-Baustein des Fluges und des Hotelzimmers ist der:die Kund:in nun  eingetragene:r Besitzer:in. Im Smart Contract abgelegte Routinen können automatisch Bestätigungen und Kommunikation mit dem:der Kund:in auslösen oder sogar die Produktbausteine untereinander kommunizieren lassen. Was sich hier bemerkbar macht: Verschwunden sind die Umwege über zentrale Caches und Distributionssysteme. Auch sind keine Zahlungsprovider mehr notwendig. Selbst Eigenschaften wie Bilder oder Beschreibungen beinhaltet der Produktbaustein in der Blockchain.

Der Wegelagerer?

Jetzt kommen wir wirtschaftlich zum erwähnten Wegelagerer aus dem Mittelalter, welcher den vielen heutigen zwischengeschalteten Systemen ähnelt. Die heutige Systemprozesskette führt bei jeder Transaktion entlang diverser Systeme und Organisationen eine Gebühr ab, die natürlich den ehemaligen Reisepreis für Produzenten immer weiter schmälert. Dazu kommen entsprechende aufwändige Zahlungsprozesse, Verrechnungen, Provisionsstatistiken und administrative Aufwände für alle Beteiligten. Auf technisch mögliche Ausfälle bei komplexen Prozessketten möchte ich gar nicht erst eingehen. Die Blockchain kann helfen, die Kosten und den Aufwand zu senken. Bisherige Systemanbieter und Dienstleister stehen vor einer disruptiven Veränderung ihrer Tätigkeitsfelder und müssen sich langfristig transformieren.

Fazit: Ist der ideale Ansatz mit erheblichem Initialaufwand in neue Produktionssysteme und neue Konsumenten-Lösungen in vielen Jahren erst einmal realisiert, werden Reiseleistungen unfassbar flexibel, schnell und effizient sein. Bereits heute gibt es erste Beispiele: Winding Tree vereinfacht den Prozess der Buchung von Flug- oder Hoteltickets. Die Transaktionskosten konnten um bis zu 20 % für Verbraucher:innen gesenkt werden. Auch Air New Zealand hat die Blockchain-Technologie integriert, wodurch der Prozess des Ticketverkaufs effizienter gestaltet wurde.

Das verlorene Gepäck

Bereits existente Anwendungen mit der Blockchain sind auch rund um die Reisegepäckverfolgung möglich. Durch die Verwendung von Smart Contracts könnten auch automatische Überprüfungen von Gepäckstatus und -position durchgeführt werden. Smart Contracts sind selbstausführende Verträge, die basierend auf bestimmten Bedingungen automatisch ausgeführt werden können. In diesem Fall könnten Smart Contracts beispielsweise das Überprüfen des Gepäckstatus bei der Ein- und Ausreise aus einem Flughafen und das automatische Senden von Benachrichtigungen an den:die Eigentümer:in des Gepäcks ermöglichen.

Der verspätete Flug

Da die einzelnen Blockchain-gestützten Produkte miteinander kommunizieren können (hier ähnelt die Blockchain der Industrie 4.0 mit IoT), ist denkbar, dass der verspätete Flugbaustein seine neue Ankunftszeit dem Baustein des Transfershuttles übermittelt und wiederum dem Hotelbaustein kommuniziert, dass der:die Kund:in vier Stunden Verspätung hat. Hierdurch steigert sich der Kundennutzen. Denn diese:r muss weder seine:ihre Ankunft dem Shuttle gegenüber korrigieren noch dem Hotel eine Information zukommen lassen. Das Hotel kann sogar dem:der erschöpften Kund:in durch diese wertvolle automatische Interaktion beispielsweise das Zimmer präferiert bereitstellen oder einen Begrüßungsdrink vorbereiten. So geht Kundenbindung mit der Blockchain.

Nächste Woche geht es im zweiten Teil um die „Redaktions-Sau“ ChatGPT und ihren Einfluss auf die Tourismus-Branche.


Dein Experte: Alexander Konrad ist als Senior Business Consultant bei neusta enterprise services tätig und befasst sich intensiv mit der Blockchain, neuen Prozessen, Automation und ChatGPT.


Du willst mehr erfahren?
Alexander Konrad freut sich, von dir zu hören: a.konrad@neusta.de
www.neusta-es.de


2 Antworten auf "Werden Blockchain und ChatGPT die Tourismus-Industrie nachhaltig verändern? – Teil 1"

  • Tim sagt:

    Man merkt das der Autor dieses Beitrages überhaupt keine Ahnung der touristischen Softwareindustrie hat.
    „Platz-genaue, zimmer-genaue Buchungen sind oft nicht realisierbar, man kauft „1 Zimmer“ oder „1 Flugsitz in der Economy Class“.“
    Ist das ein Scherz? Natürlich verwaltet JEDE Airline eindeutige Identitäten je Platz.
    Und der Autor nennt nun die Möglichkeit eine eindeutige Identität je Platz zu buchen als der Vorteil einer Blockchain? Wirklich? Das geht bei den Airlines heute schon.
    Das Vermittler diese Möglichkeit nicht haben liegt an den Vermittlern, nicht an den Reservierungssystemen.

    Aber der größte Irrtum liegt darin das Verfechter der Blockchain tatsächlich glauben das ALLE Touristischen-Veranstalter ohne Probleme mal eben ihre Reservierungssysteme abschaffen und auf die selbe Blockchain wechseln. Reservierungssysteme die ganze Prozessketten und Backofficearbeiten erledigen auf denen die der komplette Veranstalter aufbaut. Reservierungssysteme mit 6-stellig Lizenzkosten und 5-stellige Wartungsgebühren. Die so komplex und so vielfältig sind das sie niemals zentral ersetzt werden können!

    Aussenvor lässt man einfach das verschiedene Veranstalter vollkommen unterschiedliche Prozesse, unterschiedliche Länder unterschiedliche Abwicklungsverfahren und unterschiedliche Leistungsarten unterschiedliche Anforderungen an Prozesse haben.
    Es wird einfach behauptet es wäre ohne Problem Möglich das alles in einen Topf zu werfen und zu vermischen.

    Und verschwiegen wird das die Touristik das schon seit Jahrzehnten versucht, sich jedoch kein Standard durchsetzen kann. Nicht mal National, und nicht mal im entferntesten Weltweit.

    Im Fazit muss man leider sagen das der Autor überhaupt kein Hintergrundwissen von touristischer Software besitzt und dieser Artikel leider so viele Fehlinformationen enthält das man ihn eigentlich löschen müsste!

    Am Ende wird die Tourismus Blockchain von wenigen Veranstaltern und Vermittlern genutzt und immer nur ein kleines Angebot bedienen. Ein Nischenprodukt halt.

    1. Alexander Konrad sagt:

      Sehr geehrter Tim,

      vielen Dank für die offene Kritik am Artikel.

      Sicherlich verursachen neue und teils disruptive Technologien oder Digitaltrends eine gewisse Skepsis und noch fehlendes Vertrauen bei uns allen als Nutzer, Softwareherstellern oder Dienstleistern.
      Wir bei team neusta bewerten Technologietrends immer neutral in unserer Rolle als Berater, Konzeptionsbegleiter oder Projektumsetzer. Stets nach dem Bedarf der Kunden und der Endkunden. Innovationen treibt oftmals der Markt – nicht unsere persönliche Neigung oder Wunschvorstellung. Entsprechend sollen unsere Beiträge Lösungs-Möglichkeiten aufzeigen und stellen keine Meinung dar, ob oder wie umfangreich sich neue Lösungen innovativ oder gar disruptiv durchsetzen.
      Selbstverständlich sind Ziele stets mit verschiedenen technischen und organisatorischen Lösungen erreichbar. Dies steht unseren Kunden frei – also jedem Reiseveranstalter, jeder Airline, jeder Reederei als Beispiel, individuell mit uns in Projekten.

      Wie Sie, so sind wir auch gespannt, wo die Standards der Touristikindustrie in 2030 stehen.

      Sehr gerne laden wir Sie ein, transparent und direkt Ihre Kritik, Wünsche und Meinungen auszutauschen, persönliche Nachricht gerne an a.konrad@neusta.de.

      Beste Grüße
      Alexander Konrad

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