UX Design

Veröffentlicht 1. Oktober 2025

von Selina Taddigs

Was Fantasy-Welten mit UX Design zu tun haben

Du schlägst ein dickes Fantasy-Buch auf und tauchst in eine fremde Welt ein. Nach wenigen Seiten erkennst du die Regeln dieses Universums, bewegst dich sicher durch die Geschichte und entwickelst ein Gefühl für diese neue Realität. Genau das Gleiche passiert, wenn Nutzer:innen eine App oder Website besuchen – nur merken sie es oft nicht.

In beiden Fällen geht es um Worldbuilding: die Kunst, eine Welt zu erschaffen, in der sich Menschen mühelos zurechtfinden.

Worldbuilding Basics: Die Grundlagen für immersive Erfahrungen

Erfolgreiche Fantasy-Welten beruhen auf klaren Regeln, konsistenten Prinzipien und nachvollziehbarer Logik. Wenn in „Herr der Ringe“ plötzlich ein Charakter mit einem Helikopter über Mordor fliegen würde, wären Leser:innen irritiert und der Zauber wäre gebrochen.

Dasselbe gilt für digitale Produkte. Menschen bauen sich beim Benutzen einer App oder Website automatisch ein inneres Bild davon, wie das System „tickt“. Dieses innere Bild nennt man „mentales Modell“.

Ein Beispiel: Eine Lupe steht in allen digitalen Kontexten für „Suche“. Würde sie stattdessen die Einstellungen öffnen, wären Nutzer:innen sofort verwirrt. Jede Inkonsistenz, jeder Logikbruch reißt sie aus dem Flow – genau wie ein unlogischer Twist in einem Roman. Statt sich auf die eigentliche Aufgabe zu konzentrieren, stolpern sie über Widersprüche und verlieren das Vertrauen in die Welt, in der sie sich bewegen.

Warum UX Design auf intuitive Erfahrungen angewiesen ist

Die tiefere Wahrheit: Menschen fühlen sich nur dann wohl, wenn die Welt – oder das Interface – für sie Sinn ergibt. Jede Unstimmigkeit erzeugt unterschwelliges Unbehagen, sowohl beim Lesen als auch bei der Nutzung einer Website.

In einem gut durchdachten digitalen Produkt müssen Nutzer:innen nicht über die Bedienung nachdenken. Sie können sich vollständig auf ihre Aufgabe konzentrieren – genauso wie Leser:innen, die so tief in einer Geschichte versinken, dass sie die Buchseiten nicht mehr bewusst wahrnehmen.

Die überraschenden Parallelen zwischen Fantasy-Literatur und UX Design

Navigation = Karten & Orientierung
Denk an die detaillierten Karten am Anfang vieler Fantasy-Romane. Sie helfen Leser:innen, sich zu orientieren und den Überblick zu behalten. Genauso funktioniert eine durchdachte Navigation in einem digitalen Produkt: Sie gibt Sicherheit und vermittelt, wo man sich befindet und welche Wege offenstehen.

Ein gutes Navigationskonzept ermöglicht es Nutzer:innen, sich in einer „Welt“ sicher zu bewegen – ähnlich wie eine Landkarte auf einer komplexen Reise.

Onboarding = Prolog & Einführung in die Welt
Fantasy-Bücher beginnen selten mitten im Geschehen ohne Erklärung. Stattdessen gibt es Prologe, einführende Kapitel oder weise Mentoren, die die Grundlagen der Welt vermitteln.

Ein gutes Onboarding in einer App funktioniert genauso: Es führt neue Nutzer:innen behutsam ein, erklärt das Nötigste und lässt sie dann eigene Entdeckungen machen, ohne sie zu überfordern. Das Gleiche gilt für den Relaunch einer Website: Stammnutzer:innen haben ein vertrautes mentales Modell und sollten sanft an die neue Version herangeführt werden. Mit Hinweisen, Tooltips oder kurzen Touren können sie die wichtigsten Änderungen kennenlernen, ohne frustriert zu werden.

Design-Systeme = Magiesysteme & Regeln
Viele Fantasy-Universen haben ein eigenes Magiesystem mit klaren Regeln. In „Harry Potter“ braucht man Zaubersprüche und Zauberstäbe, in „Avatar“ basiert alles auf den festen Prinzipien der vier Elemente.

Design-Systeme funktionieren ähnlich: Sie definieren, wie Elemente aussehen und sich verhalten sollen – von Buttons über Formulare bis hin zu Animationen. Ein gutes Design-System etabliert klare visuelle Hierarchien, einheitliche Interaktionsmuster und wiedererkennbare Komponenten. Nutzer:innen lernen schnell, diese Muster zu verstehen, wodurch jede neue Funktion intuitiver wird. Diese Konsistenz schafft Verlässlichkeit und Vertrauen.

UX Design als Kampf gegen dunkle Mächte

Jede gute Fantasy-Geschichte hat ihren Antagonisten, sei es Sauron, Voldemort oder der Nachtkönig. Als UX-Designer:innen kämpfen wir gegen unsere eigenen „dunklen Mächte“: Verwirrung, Frustration und kognitive Überlastung.

Die Schicksalsberg-Taktik gegen komplexe Prozesse
In „Herr der Ringe“ konnte Sauron nur besiegt werden, indem man den Ring zerstörte – nicht, indem man ihn nutzte oder versteckte. Genauso verhält es sich mit übermäßig komplexen Prozessen: Oft ist die beste Lösung, sie komplett zu eliminieren, statt sie nur mühsam zu optimieren.

Die Harry-Potter-Methode für Feedback
In der Zauberwelt geben Zauberstäbe sofort Feedback: ein Lichtblitz, ein Knall oder eine sichtbare Transformation. Dieses unmittelbare Feedback ist entscheidend für das Lernen.

Digitale Produkte sollten genauso reagieren: Wenn ein:e Nutzer:in auf „Senden“ klickt, braucht es eine klare Rückmeldung – sei es eine Animation, ein dezenter Sound oder eine visuelle Bestätigung. Ohne diese Reaktion entsteht Unsicherheit. Nutzer:innen fragen sich, ob ihre Aktion registriert wurde oder ob sie den Button erneut drücken müssen.

UX als Worldbuilding für digitale Räume

Als UX-Designer:innen sind wir letztlich Weltenbauer:innen. Wir erschaffen digitale Umgebungen, in denen Menschen navigieren, interagieren und leben. Genau wie die besten Fantasy-Autor:innen gestalten wir Welten mit konsistenten Regeln, intuitiver Navigation und einer sanften Einführung.

Das nächste Mal, wenn du an einem Projekt arbeitest, denk an die fantastischen Welten von Tolkien, Martin oder Hobb. Frag dich:

  • Ist die Navigation so klar wie eine gute Landkarte?
  • Werden neue Nutzer:innen so eingeführt, dass sie die Regeln der „Welt“ schnell verstehen?
  • Sind die Gestaltungselemente so konsistent wie ein Magiesystem?
  • Führt das Produkt die Menschen durch eine stimmige Geschichte – vom Einstieg bis zum Ziel?

Die Kunst des Worldbuildings bereichert jede Arbeit im UX Design. Denn letztlich bauen wir nicht einfach Interfaces. Wir gestalten digitale Räume, in denen Menschen sich zurechtfinden, Ziele erreichen und Erlebnisse haben, die in Erinnerung bleiben.


Deine Expertin: Selina Taddigs ist UX/UI-Designerin bei team neusta. Sie gestaltet klare, inklusive und intuitive digitale Produkte mit Fokus auf Barrierefreiheit und Nutzerzentrierung. Unsere Kund:innen begleitet sie von der konzeptionellen Struktur über die visuelle Gestaltung bis zur Umsetzung in agilen Teams.


Du willst mehr zu dem Thema erfahren?

Selina Taddigs freut sich, von dir zu hören: s.taddigs@neusta.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert