Public Code

Veröffentlicht 15. Mai 2025

von Dirk Langenheim

Public Money? Public Code!: Warum es sich lohnt, die Idee ernst zu nehmen

Ob in der Verwaltung, im Bildungsbereich, im Gesundheitswesen oder im Gemeinwohl: Digitale Lösungen sind zunehmend zur Grundvoraussetzung funktionierender öffentlicher Dienstleistungen geworden. Doch bei der Frage, wie diese Software entsteht und langfristig gepflegt werden soll, ist das öffentliche Handeln häufig noch von klassischen Projektlogiken und kurzfristiger Budgetverwendung geprägt. Die Idee von „Public Money? Public Code!“ – also öffentlich finanzierte Software grundsätzlich als Open Source zu veröffentlichen – ist vor diesem Hintergrund mehr als ein idealistisches Postulat. Sie bietet eine Antwort auf strukturelle Herausforderungen der digitalen Transformation im öffentlichen Sektor. 

Dieser Beitrag beleuchtet die Idee aus drei Perspektiven und erklärt, warum sie nicht nur sinnvoll, sondern notwendig ist. 

Öffentliche Software-Investitionen sollten dem Gemeinwohl und der Wettbewerbsfähigkeit dienen – nicht nur dem Projektziel

Wenn öffentliche Einrichtungen Software beauftragen, verfolgen sie meist das Ziel, ein spezifisches Problem zu lösen. Dabei bleibt jedoch oft die Frage nach Nachhaltigkeit, Übertragbarkeit und Wiederverwendbarkeit unbeachtet. Dabei kann Software – ebenso wie Straßen oder Schulen – als Form öffentlicher Infrastruktur verstanden werden, die weit über ihren ursprünglichen Einsatzzweck hinaus Mehrwert stiftet. 

Gerade im Zuge der digitalen Transformation ist es entscheidend, dass Investitionen nicht nur kurzfristige Lösungen ermöglichen, sondern langfristige Entwicklungsoptionen eröffnen. Wenn jede Behörde, jede Kommune und jeder öffentliche Träger für sich allein agiert, gehen wertvolle Synergien verloren. Die Entwicklung wird teurer, langsamer und schwerer skalierbar. Cloud-Only- oder Closed-Source-Ansätze erschweren nicht nur die Nachnutzung, sondern fördern digitale Silos – in einer Zeit, in der Zusammenarbeit und gemeinsame Standards zentrale Voraussetzungen für digitale Souveränität sind. 

Zudem hat der Ansatz eine gesamtgesellschaftliche Relevanz: Wenn Bund, Länder, Kommunen und andere öffentliche Träger gemeinsam auf offene, wiederverwendbare Lösungen setzen, stärkt das nicht nur die Effizienz, sondern auch die digitale Wettbewerbsfähigkeit unserer Gesellschaft. Denn offene Technologien fördern Innovationsfähigkeit, Anpassungsgeschwindigkeit und Resilienz gegenüber Veränderungen – alles Faktoren, die ein starkes Argument für Public Code liefern.

Digitale Souveränität braucht offene Technologien – auch aus Gründen der Sicherheit

Organisationen, die auf proprietäre Software setzen, begeben sich häufig in langfristige Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern. Das betrifft nicht nur Lizenzkosten, sondern auch Updates, Support und Weiterentwicklung. Solche Bindungen machen die öffentliche Hand unflexibel und schränken ihre Fähigkeit ein, eigenständig digitale Strategien zu verfolgen oder auf Krisen angemessen zu reagieren. 

Public Code hingegen bedeutet Selbstbestimmung: Durch offene Technologien können öffentliche Einrichtungen eigene Prioritäten setzen, flexibel auf neue Anforderungen reagieren und langfristig Kosten senken. Doch die Vorteile gehen über strategische Unabhängigkeit hinaus. 

Denn Offenheit schafft Sicherheit. Die Offenlegung des Quellcodes ermöglicht unabhängige Prüfungen durch Dritte – etwa durch Sicherheitsforscher:innen oder die Open-Source-Community. Das erhöht die Cyber- und Datensicherheit und reduziert das Risiko, dass Schwachstellen über Jahre unentdeckt bleiben. Transparente Systeme lassen sich nachvollziehen, auditieren und gezielt verbessern – ein zentraler Baustein für vertrauenswürdige Digitalisierung im öffentlichen Raum.

Open Source ist kein Selbstläufer – sondern ein Aufruf zur Zusammenarbeit

Offene Software entfaltet ihr volles Potenzial erst dann, wenn sie aktiv genutzt, weiterentwickelt und gepflegt wird. Das gelingt nur, wenn Mitgestaltung nicht nur theoretisch möglich, sondern praktisch erwünscht und machbar ist. 

Denn auch wenn eine Software formal unter einer Open-Source-Lizenz steht, bedeutet das nicht automatisch, dass andere sich daran beteiligen. Besonders bei Projekten, die im Auftrag einzelner Organisationen oder Konsortien entstehen, braucht es klare Strukturen für Partizipation. Die Einladung zur Mitgestaltung muss ausgesprochen werden – begleitet von Offenheit, guter Dokumentation und koordinierter Zusammenarbeit. 

Open Source erfordert also Community-Arbeit. Es braucht Menschen, die Kommunikation, Moderation und Governance übernehmen. Es braucht Plattformen und Austauschformate – und die Bereitschaft, Verantwortung zu teilen. Wer hier investiert, wird nicht nur mit besseren Lösungen belohnt, sondern auch mit einem Netzwerk, das gemeinsam lernt, weiterdenkt und über Organisationsgrenzen hinweg kooperiert.

Aber: Es geht nicht um Ideologie, sondern um kluge Entscheidungen im Einzelfall 

Trotz aller Vorteile von Open Source darf die Diskussion nicht ins Schwarz-Weiß-Denken abgleiten. Nicht jede Software muss oder kann Open Source sein. In manchen Fällen fehlen geeignete quelloffene Alternativen, oder der Aufwand für eine unabhängige Eigenentwicklung übersteigt den wirtschaftlich vertretbaren Rahmen. Auch proprietäre Lösungen können sinnvoll sein – etwa wenn sie funktional überzeugen, rechtlich unbedenklich sind und keine kritischen Abhängigkeiten erzeugen. Dann können sie der richtige Weg sein. Manchmal bieten sich aber auch hybride Lösungen an, wie wir in dem Beitrag Hybridlösungen – die perfekte Balance zwischen Standardsoftware und maßgeschneiderter Anpassung erläutern. 

Entscheidend ist: Die Wahl für oder gegen Public Code sollte bewusst und differenziert getroffen werden – unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeit, Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und dem strategischen Ziel, digitale Souveränität zu stärken. Die Idee von „Public Money? Public Code!“ bietet dafür eine verlässliche Orientierung – aber nicht immer die einzige Lösung. 

Mein Fazit

„Public Money? Public Code!“ ist auch weit mehr als ein technisches oder juristisches Thema. Es ist ein gesellschaftlicher Gestaltungsansatz für die digitale Welt – demokratisch, wirtschaftlich klug und technologisch nachhaltig. Die letzten beiden Aspekte haben viele große Technologieunternehmen längst erkannt und sich aktiv in Open-Source-Projekte eingebracht und auch die Free Software Foundation hat zu diesem Theme eine Kampagne ins Leben gerufen, die das Ziel hat, dass von allen bezahlter Code auch für alle verfügbar sein sollte

Ich bin überzeugt: Wenn wir öffentliche Gelder in Software investieren, dann sollten wir es so tun, dass die Ergebnisse wiederverwendbar, transparent und gemeinschaftlich weiterentwickelbar sind – wo immer das möglich und sinnvoll ist. Und dort, wo es nicht möglich ist, braucht es bewusste Entscheidungen und klare Begründungen, warum ein anderer Weg geeigneter erscheint. 

Nicht, weil Open Source ein Selbstzweck wäre – sondern weil es oft der beste Weg ist zu mehr digitaler Souveränität, Effizienz und gesellschaftlichem Nutzen.


Dein Experte: Dirk Langenheim begleitet seit vielen Jahren digitale Projekte im öffentlichen und gemeinnützigen Bereich – unter anderem für Kommunen, kirchliche Träger und Wohlfahrtsverbände. Als strategischer Berater setzt er sich für nachhaltige und offene Lösungsansätze mit gesellschaftlichem Mehrwert ein.


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Dirk Langenheim freut sich von dir zu hören: d.langenheim@neusta.de.

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