Veröffentlicht 25. Oktober 2024
von Tascha Schnitzler
Die 6 größten Herausforderungen bei der Zusammenarbeit von öffentlicher Verwaltung & IT-Dienstleistern
Private IT-Dienstleister und die öffentliche Verwaltung verfolgen unterschiedliche Ziele und Ausrichtungen: Während IT-Unternehmen Innovation und Wachstum anstreben, fokussiert sich die Verwaltung auf Stabilität und Servicequalität. Agile Firmen mit flachen Hierarchien setzen auf schnelle Entscheidungen und Anpassungsfähigkeit, was im Gegensatz zu den traditionell hierarchischen Strukturen der öffentlichen Verwaltung steht. Diese Unterschiede führen zu speziellen Herausforderungen in der gemeinsamen Projektarbeit: agile Methoden betonen und fordern Flexibilität, während der öffentliche Sektor strenge Dokumentations- und Transparenzvorschriften einhalten muss. In diesem Artikel werde ich die sechs größten Herausforderungen genauer beleuchten. Wie man trotz der Unterschiede Projekte erfolgreich umsetzt, erkläre ich in Teil 2.
Kulturelle und organisatorische Reibungspunkte
In öffentlichen Verwaltungen herrscht oft eine Silo-Struktur vor, die isoliertes Arbeiten fördert und den effektiven Austausch behindert. Agile Methoden hingegen setzen auf interdisziplinäre Teams, die einen kontinuierlichen Informationsfluss und enge Zusammenarbeit pflegen, um schnellere und effektivere Ergebnisse zu erzielen.
Kommunikationsherausforderungen
Die Kommunikation zwischen agilen IT-Unternehmen und öffentlicher Verwaltung wird oft durch unterschiedliche Fachjargons, technisches Know-how und rechtliche Kenntnisse erschwert. Unterschiedliche Kommunikationsstile können zusätzliche Spannungen oder Missverständnisse verursachen, da agile Teams dynamische und informelle Interaktionen bevorzugen. Diese Diskrepanzen zwischen Agilität und formeller Verwaltungskommunikation zeigen sich besonders in Projektbesprechungen und E-Mail-Korrespondenz.
Skepsis und Intoleranz
Veränderungen in Organisationen und Technologieumgebungen im öffentlichen Sektor können auf Widerstand stoßen. Denn dort sind oft Skepsis gegenüber Veränderungen und Angst vor der Bedrohung des Status Quo verbreitet. Neue Technologien oder Arbeitsmethoden könnten als Herausforderung der Routine oder sogar der beruflichen Sicherheit angesehen werden. Sowohl innerhalb der Verwaltung als auch bei privaten IT-Dienstleistern kann es Mitarbeitende geben, die dogmatisch an Methoden festhalten und wenig Kompromissbereitschaft zeigen.
Unterschiedliche Wege der Priorisierung und Entscheidungsfindung
Agile IT-Teams streben nach Flexibilität und kontinuierlichem Feedback, um Innovationen voranzutreiben. Behörden und öffentliche Stellen hingegen fokussieren sich oft stärker auf Rechtmäßigkeit und die Einhaltung von Fristen und Budgets. Die flachen Hierarchien agiler Teams ermöglichen dynamische Entscheidungsprozesse und eine kollaborative Kommunikation. In bürokratischen Prozessen hingegen verlangsamen oft langwierige Genehmigungsverfahren und die Einbindung zahlreicher Stakeholder die Entscheidungsfindung und schränken den Spielraum für Flexibilität und Innovation ein.
Öffentliche Ausschreibungsprozesse
Öffentliche Verwaltungen durchlaufen oft komplexe Ausschreibungs- und Vertragsanbahnungsprozesse, um transparente und rechtssichere Auftragsvergaben zu gewährleisten. Diese Verfahren können eine Herausforderung darstellen, da sie eine detaillierte Produktbeschreibung erfordern, was dem agilen Ansatz widersprechen kann. Die frühzeitige Berücksichtigung beider Vorgehensweisen ist entscheidend, um Missverständnisse und Verzögerungen zu vermeiden.
Ausschreibungen im öffentlichen Sektor sind oft so umfangreich und komplex, dass kleinere oder mittelständische Unternehmen sie allein nicht bewältigen können. Daher bilden sich Konsortien, um die Anforderungen zu erfüllen. Das wiederum kann zu langwierigen und komplexen Organisationsstrukturen führen. Die Informations-, Zahlungs- und Einigungsketten erstrecken sich über viele Unternehmen, was zu einem erhöhten Koordinationsaufwand führt und die Projekteffizienz beeinträchtigen kann.
Strukturelle und regulatorische Gegebenheiten
Agile IT-Unternehmen, die mit der öffentlichen Verwaltung kooperieren, sehen sich einer Vielzahl rechtlicher und regulatorischer Vorschriften gegenüber, die ihre Betriebsabläufe erschweren und den kreativen Freiraum einschränken. Öffentliche Einrichtungen sind an strenge Haushaltsvorschriften gebunden, was die Flexibilität bei Ausgaben und Budgetanpassungen einschränkt und Beschaffungsverfahren verlangsamt. Segmentierte Strukturen und klare Zuständigkeiten in der Verwaltung erschweren die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen und Behörden und können die Integration von Systemen und Daten behindern. Diese Herausforderungen führen oft zu komplexeren IT-Projekten, Verzögerungen und möglicherweise unerreichbaren Zielen aufgrund von fehlender Kooperation oder technischer Integration.
Fazit
Trotz der Herausforderungen, die sich aus den strukturellen und kulturellen Unterschieden zwischen privaten IT-Dienstleistern und der öffentlichen Verwaltung ergeben, gibt es auch positive Aspekte und Chancen. Agile Methoden bieten die Möglichkeit, frischen Wind in die traditionell starren Verwaltungsprozesse zu bringen und Innovationen zu fördern. Die Zusammenarbeit mit IT-Unternehmen kann der öffentlichen Verwaltung dabei helfen, neue Technologien effizienter zu integrieren und ihre Servicequalität zu verbessern. Zudem können interdisziplinäre Teams und ein stärkerer Fokus auf Zusammenarbeit in der Verwaltung dazu beitragen, Silo-Strukturen zu überwinden und einen besseren Informationsfluss zu gewährleisten.
Wie die Zusammenarbeit zwischen agilen IT-Dienstleistern und der öffentlichen Verwaltung erfolgreich verlaufen kann, beschreibe ich im nächsten Artikel „Erfolgsfaktoren für agile Projektarbeit in der öffentlichen Verwaltung“.
Deine Expertin: Tascha Schnitzler ist für das Partnermanagement & Business Development der team neusta | experts for eGovernment verantwortlich. Sie hat Artikel für das Handbuch Digitale Verwaltung verfasst, in dem sie sich genauer mit der Zusammenarbeit von IT-Dienstleistern und öffentlicher Verwaltung auseinandersetzt. Das „Handbuch Digitale Verwaltung“ bietet einen umfassenden Leitfaden für die erfolgreiche digitale Transformation der öffentlichen Verwaltung, mit einem Fokus auf Bürgerbeteiligung, Mitarbeiterqualifizierung und Datenschutz. Es richtet sich an Politiker, Praktiker und Wissenschaftler und liefert praxisnahe Einblicke in gesetzliche Rahmenbedingungen, den Einsatz von KI und die Digital Governance, unterstützt durch Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern. Weitere Infos gibt es hier.
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Danke Tascha, voll aus dem Leben gegriffen. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.